„Überholmanöver“ der Inklusion in Bayern nötig Mehr Tempo bei der Inklusion – diesem Ziel stimmten alle Teilnehmer*innen des Fachgesprächs „Inklusion“ des Forum Bildungspolitik in Bayern am 8. März 2022 zu. Neben den Landtagsabgeordneten Norbert Dünkel, Matthias Fischbach, Thomas Gehring und Tobias Gotthardt – bis auf Margit Wild alle Teil der Interfraktionelle AG „Inklusion“ – nahmen auch Herr Prof. Dr. Markowetz, Frau Julia Dumsky, Stefan Ruppaner und zahlreiche Mitglieder des Forum Bildungspolitik teil. Angeregt hatte das Forum Bildungspolitik das Fachgespräch, da das Tempo, mit dem die Zielvorgaben der Behindertenrechtskonvention der UN in Bayern umgesetzt werden, nach Meinung der Mitgliedsorganisationen in den letzten Jahren deutlich ins Stocken geraten ist. Um zu sehen, wie Inklusion an allgemeinbildenden Schulen gelingen kann, leitete Stefan Ruppaner, Schulleiter der Gemeinschaftsschule Wutöschingen in Baden-Württemberg, das Gespräch mit einem Input darüber ein, wie die Praxis der inklusiven Pädagogik in seiner Schule erfolgreich betrieben wird: Am Ende stünden viele Schüler*innen mit Behinderung mit einem Schulabschluss und auch Schüler*innen ohne Behinderung profitierten von der Inklusion. Schlüssel des Erfolgs laut Ruppaner: „Wir beschäftigen uns gar nicht mit Inklusion.“ Vielmehr sei die Einstellung zu allen jungen Menschen gleich: „Jeder und jede ist speziell, deswegen braucht jeder spezielle Bedingungen. Und dabei lernt jeder gegenseitig voneinander.“ Dieses einfache Leitbild erlaube es alle mitzunehmen. Über die Differenz zu diesem Best-Practice-Beispiel und der Inklusion an allgemeinbildenden Schulen in Bayern waren sich die Gäste des Fachgesprächs einig. Gehring attestierte etwa, dass der „Kick“ bei der Umsetzung der Inklusion vor 10 Jahren noch größer gewesen sei – man müsse hier wieder mehr Begeisterung wecken. Wild stellte fest: In Bayern sei schon einiges passiert – doch inzwischen erlebe man einen „Roll-Back“ bei der Inklusion, Erfolge die es gegeben habe gingen wieder verloren. Aus diesen Gründen sprach auch Professor Markowetz davon, dass Bayern neue Impulse bei der Inklusion brauche oder „ein Überholmanöver“. Fischbach sprach etwa über Möglichkeiten einer größeren Individualisierung des Lernens für Schüler*innen. „Jeder in der eigenen Geschwindigkeit“, das führe zu einer höheren Motivation. Die Erfolge einer Schule, wie die der Gemeinschaftsschule Wutöschingen gäben dem Ansatz Recht. Bei einzelnen Beispielen müsse man aber immer darauf achten, wie dies auf ein gesamtes Schulsystem zu übertragen sei – in Bayern gebe es über 6.000 Schulen, merkte Gotthardt kritisch an. Nahm die Diskussion mit dem Forum Bildungspolitik aber als Auftrag, um über die „Fraktionsgrenzen hinweg pragmatische Lösungen“ etwa in der interfraktionellen AG des Landtags zu finden. Dünkel zog als Fazit, dass es diese erfolgreichen Beispiele im Schulsystem gebe, „es ist also möglich“. Dafür müssten aber auch die Kommunen mehr Bereitschaft zeigen, etwa auch bei der Konzeption der Schulhäuser. Leuchtturmprojekte, wie etwa das von Herrn Ruppaner vorgestellte, hingen meist vom großen Engagement der Akteure vor Ort ab – davon brauche es mehr. Simone Fleischmann, Vorsitzende des Forum Bildungspolitik in Bayern, verstand dies aber auch als politischen Auftrag: „Man kann nicht nur auf das persönliche Engagement von Einzelpersonen bauen, es braucht die politische Grundlage“, manchmal sei auch einfach eine bessere Finanzierung nötig. Julia Dumsky, die selbst seit früher Kindheit durch eine Viruserkrankung behindert ist durchlief das bayrische Bildungssystem und zeigte anhand ihrer Lebensgeschichte, was durch eine verfehlte Inklusion auch für Potentiale verloren gehen können. Inzwischen promoviere sie, was aber kein Beispiel von gelungener Inklusion sei. Ganz im Gegenteil sei eine enorme Kraftanstrengung durch sie und ihre Familie nötig gewesen, trotz des Systems, so weit zu kommen, und zusätzlich hätte es glückliche Umstände benötigt – dies sei kein tragfähiges Konzept. Auch im Hinblick auf den demografischen Wandel solle man es sich nicht erlauben so viele Potentiale zu verschenken. Jan Derksen, Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbands im Forum Bildungspolitik bekräftigte dieses Argument. Warum gebe man so vielen Menschen keine Chance einen Schulabschluss zu machen? Stattdessen sollte man diesen jungen Menschen die Möglichkeit eröffnen ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Nach Ansicht der Mitglieder des Forum Bildungspolitik in Bayern zeigte das Fachgespräch deutlich, dass es die Konzepte für eine bessere Inklusion gibt, alle legten ähnliche pädagogische Ansätze zugrunde, diese gilt es nun auch in der Fläche umzusetzen. Christine Primbs, Inklusion Bayern, forderte klar: Mehr Mut Seitens der Politik bei der Inklusion. Stefan Ruppaner sprach in seinem Input von der Haltung, die seine Schule präge: „Wir wollen Heterogenität“. Diese Haltung im bayerischen Schulsystem vermehrt zu etablieren muss nach Ansicht des Forum Bildungspolitik Aufgabe der Landespolitik sein.